Mitten in den Löss des Kellerweges hinter ihrem Haus im Weinviertler Ort Mailberg hat Barbara Michl-Karácsony – Keramik-Bildhauerin, malende und schreibende Künstlerin – ihre beeindruckenden, teilweise überlebensgroßen, archaischen weiblichen Figuren platziert.
Text: Ruth Wegerer Fotos: Sophia Mitter
Sanfte Rebhügel, ein imposantes Schloss des Malteser Ritterordens, eine vorbildlich renovierte Kellergasse und fast 200 Weinkeller sind die Aushängeschilder von Mailberg im nördlichen Weinviertel. In einem dieser alten Keller wird aber kein grüner Veltliner gelagert, sondern zeitgenössische Kunst präsentiert. Lieblich ist diese Landschaft, so unprätentiös. Und dann stehen hier so unerwartet vor einem alten Presshaus, zwei freundliche Riesinnen aus farbenfroher Keramik und bewachen den Eingang. Wenn dann Barbara Michl, eine große, sanft wirkende Frau, die Tür öffnet und das Licht aufdreht, wähnt man sich in einem Zauberreich, wie in Aladins Wunderkammer. Dicht an dicht stehen die tönernen Wächter des Kellers, sehr große und auch kleinformatige Skulpturen von Frauen, Paaren, Reitern oder Engeln, sie wirken wie mit dem Raum verschmolzen.
Die Bildhauerin erlernte Handwerk und künstlerische Ausbildung an der Kunstgewerbeschule Graz und an der Universität für angewandte Kunst in Wien, lebte nach Familiengründung einige Jahre in Bayern, dann lange Zeit in Wien und fühlte sich „ausgehungert nach Landleben!“. Doch dann erfüllte sich die Prophezeiung einer Freundin aus dem Weinviertel „noch bevor die Bäume austreiben, wirst du etwas gefunden haben!“. Das war vor zwanzig Jahren, binnen zweier Monate ergab sich der Kauf eines alten Weinviertler Streckhofs, bis heute für Barbara eine wahre Fügung. Und einige Jahre darauf dann auch noch die Möglichkeit, gleich hinter ihrem Grundstück ein Presshaus mit Weinkeller dazuzukaufen. „Ein 16m langes Ziegelgewölbe in den Berg hinein, einmalig“, begeistert sich Barbara über diesem mystischen Raum, der ihren Werken einen würdigen Rahmen verleiht.
Auch das alte Haus selbst bietet reichlich Platz für künstlerische Arbeiten. Wie an einer Perlenkette sind die Zimmer aneinandergereiht. Vorne im Wohnraum entstehen Skulpturen und Malerei, daneben ist die Küche. Anschließend Schlafzimmer und Bad. Alle Räume sind innen durchgehend und von außen begehbar, in einer ehemaligen Werkstätte steht der Brennofen. Parallel zum Haus ein schmaler Innenhofgarten, mit ein paar Stufen zum oberen Gartenteil. Gemüse wird da angebaut und Blumen. Von dort führt ein Wiesenpfad zum Presshaus und neuerdings zu der Kapelle, die Barbara gleich nebenan gestaltet hat. Rundherum und obendrauf entstand der Skulpturengarten mit Fernblick.
Zeichneten sich Barbara Michls Plastiken in ihren ersten Jahren eher durch abstrakte Formen aus – es entstanden große pflanzenähnliche Ton-Skulptur-Wesen, als Freiskulptur konzipierte Tonstelen, in einer uralten Technik bemalt – entwickelte die Künstlerin über die nächsten Jahre in ihren Arbeiten die menschliche Figur in spannender Darstellungsweise. Es entstanden lebensgroße Terrakotta-Frauen, 2003 waren sie in der Galerie Lang unter dem Titel „Lebensgroß weiblich“ ausgestellt. Barbaras Frauenplastiken sind selbstbewusste Heroinen, nährende und gebärende Urmütter, Fruchtbarkeitsgöttinnen.
Im Anschluss an das rein Weibliche kamen dann „Lebensgroße Liebespaare“, bis heute für Barbara ein wichtiges Thema, das erfindet sie immer wieder neu für sich.
Schritt für Schritt hat sich Barbara ihre lebens- bis überlebensgroßen Figuren erarbeitet. „Ich musste erst lernen immer größer zu werden und habe meine Wege gefunden, meine Frauenfiguren lebensgroß zu bauen, man beginnt unten in der Keramik und arbeitet sich dann langsam in die Höhe“. Im Laufe der Jahre entwickelte sie ihren ganz eigenen Stil, getragen von Leichtigkeit, Heiterkeit, feinem Humor und Harmonie.
Doch das Leben geht seine eigenen Wege und, ausgelöst durch erschütternde Todesfälle im Familien- und Freundeskreis, führte die Trauerarbeit Barbara in Wien in die Kirche
St. Michael der Salvatorianer. Hier findet sie Trost in den „Liedern der Kindheit“, die hier jeden Sonntag gesungen werden. Und auch Trost in der „gehobenen Sprache der Liturgie“, sie verursacht bei der Künstlerin so etwas wie „innere Bildung“. Auch in ihrem künstlerischen Streben kommt es zu einer verstärkten Hinwendung zu Spiritualität, insbesondere zum christlichen Glauben. Von außen betrachtet ist dies in unserer Zeit, wo die Menschen scharenweise aus der Kirche austreten und sich vermehrt asiatischen Religionen zuwenden, eine überraschende Ausnahme.
Eine Ausstellung in St. Michael hieß „ Auftreten statt Austreten“ und die Interpretationen der Evangelien in der Predigt sind bei den Salvatorianer so angelegt, dass die Pfarrgemeinde an der Verbesserung der Gesellschaft verstärkt mitarbeitet. Für die Künstlerin waren das Lehrjahre in St. Michael und prägend.
Und doch – „meinen Marien Altar und die jetzt entstehende Kapelle neben dem Presshaus möchte ich dem heiligen Franz von Sales* widmen, denn in seinen Briefen findet man unerschöpflichen Reichtum an Tröstungen, Ermutigungen, Erklärungen, Gedankenhilfen, um zu verstehen oder zu ahnen, wie es glücklich gelingt mit der Gegenwart Gottes umzugehen, von der er nie müde wird zu erzählen!“ * Fürstbischof von Genf, 1567 – 1622, Prediger, Seelsorger, Patron der Journalisten.
Franz von Sales Briefe waren Barbara immer eine große Hilfe, „Nahrung für die Seele – in dieser schönen barocken Sprache!“.
Die Auseinandersetzung mit der biblischen Geschichte und den Lebensgeschichten von Heiligen führte schließlich auch zur Entstehung von Keramiken und Bildern zu diesen Themen. Und zu der Suche nach einer „zeitgemäßen, sakralen Plastik, die dem Bedürfnis der Gläubigen unserer Tage entgegenkommt“.
Neben Barbara Michls figuralen Objekten für Frei- und Innenräume, finden sich auch klein- oder mittelformatige Arbeiten wie „Hochzeitspaare“, Reiterfiguren, Tierskulpturen von Schafen – „Schafherden, als Bild des Friedens“ und 2015 „Kamele – gegen das Heimweh der Flüchtlinge“ und eine ganze Reihe Vögel, die über einen Zyklus „Pfingstvögel“ zur Friedenstaube hin führte.
Und natürlich Engel, Engel sind ihr ein besonders Anliegen. Barbaras Engel sind dem Charakter ihres Werks entsprechend durchwegs weiblich. Sie fertigt sie in vielen Größen, als vollplastische Standfiguren, aber auch als kleinformatige Relief-Wand-Engel. Diese schweben herab, haben ihre Hände zum Gebet gefaltet und sind Himmelsboten, Friedens- und Lichtbotschafter. Und sie sind, im Gegensatz zu den anderen Arbeiten farblos, betitelt „Weiß auf weiß – Transparenz und Transzendenz“.
„Es muss übereinstimmen. Die Themen müssen mit den inneren Bedürfnissen übereinstimmen. Bei mir und bei den anderen“.
Vor der Kapelle neben dem Presshaus steht heute, für alle Vorübergehenden ein Blickfang, der Marienaltar. Erst hat Barbara die Podeste, die Erhöhung für die Mutter mit dem Jesuskind gebaut, links und rechts beschützt von zwei Engeln. Anschließend kam die blaue Einfassung, die den Kosmos verkörpert, in den dann die Ordnung der Sterne gemalt wurde. Links und rechts davon wachsen Kerzenständer heraus, das Kerzenlicht korrespondiert mit dem Sonnenlicht, das Feuer der Kerzen mit dem Feuer der Sonne! „Zu Ehren der Muttergottes“.
Zum jetzigen Zeitpunkt hat die Kapelle noch ein provisorisches Dach, die Figuren müssen wegen der Frostgefahr überdacht sein. Barbaras großer Wunsch ist es einen Architektin und Sponsoren motivieren zu können, damit eine passende endgültige Überdachung vorgenommen werden kann. Und es wird eine Segnungsfeier stattfinden…
An den Wochenenden im Sommer freut sich Barbara Michl auf Besucher im Skulpturengarten nach telefonischer Anmeldung.